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Tonregal 2.0: Kapillaraktive Küchenregale, die ohne Strom kühlen und Feuchte steuern

Tonregal 2.0: Kapillaraktive Küchenregale, die ohne Strom kühlen und Feuchte steuern

Warum Tomaten mehlige werden, Brot schneller schimmelt und Kräuter schlapp machen? Häufig liegt es an falscher Lagerung, zu trockener Luft im Winter oder zu hoher Luftfeuchte im Sommer. Eine wenig bekannte Lösung kommt aus der Bauphysik: kapillaraktive Tonregale, die per Verdunstungskälte lokal 2–6 K kühlen, zugleich Feuchte puffern und damit die Frischezone in der Küche erweitern – ganz ohne Kompressor, ohne Kältemittel, ohne Geräusch.

Was ist ein kapillaraktives Tonregal?

Ein kapillaraktives Tonregal ist ein wandmontiertes Regal aus poröser Terrakotta bzw. Lehmkeramik, das über ein Dochtsystem kontinuierlich mit Wasser versorgt wird. Das Wasser wandert über Kapillaren an die Oberfläche, verdunstet dort und entzieht der Umgebung Wärme. Ergebnis: mikrolokale Kühlung an der Regaloberfläche und eine stabilere Luftfeuchte im unmittelbaren Umfeld.

Aufbau im Detail

  • Deckplatte: 12–16 mm poröse Terrakotta, Wasseraufnahme ≥ 10 %, mittlerer Porenradius 1–10 µm
  • Kapillarvlies: Zellulose- oder Baumwollvlies 2 mm, auswechselbar
  • Wasserführung: schwerkraftgespeister Schlitzkanal mit 0,5–1,5 l Reservoir, Tropfstopp
  • Rückwand: Kapillaraktiver Lehmmörtel 5 mm auf Holz- oder Metallträger
  • Luftkanal: 5–8 mm Spalt zur Wand für vertikale Konvektion
  • Optional: PCM-Rückpad 24 °C, 200–400 g pro Ebene zur Spitzenglättung an heißen Tagen

Wie funktioniert die Verdunstungskühlung im Regal?

Wasser benötigt ca. 2 400 kJ pro Liter, um zu verdunsten. Diese Energie entzieht es seiner Umgebung. Bei 26 °C und 50 % rel. Feuchte sind an der Oberfläche Temperaturabfälle von 2–6 K realistisch. Im feuchten Hochsommer schrumpft die Wirkung, im trockenen Winter wirkt das Regal eher als sanfter Luftbefeuchter und hält Obst und Brot länger appetitlich.

Praxiswerte

  • Verdunstungsrate: 150–350 ml Tag pro 0,5 m² Regalfläche
  • Entzogene Wärme: ca. 0,1–0,25 kWh Tag
  • Geräusch: 0 dB, Energie: 0 W (optional 0,5 W USB-Lüfter für Boost)

Was gehört aufs Tonregal – und was nicht?

Geeignet Weniger geeignet
Wurzelgemüse wie Kartoffeln, Rote Bete, Karotten Rohes Fleisch, Fisch, empfindliche Milchprodukte
Brot und Sauerteiglaibe (krustenknusprig, weniger Austrocknung) Sehr feuchte Kuchen, Glasuren mit Kondensationsrisiko
Kräuter im Topf, Ingwer, Kurkuma Beeren mit Druckstellen
Tomaten (aromastabil, nicht im Kühlschrank lagern) Bananen reifen besser bei trockener Lagerung

Vorteile auf einen Blick

Aspekt Beschreibung Praxisnutzen
Stromlos Reine Physik statt Technik Keine laufenden Kosten, keine Geräusche
Frische Lokale Kühlung 2–6 K, Feuchtepuffer Weniger Austrocknung, bessere Textur
Nachhaltig Lehm und Terrakotta, reparierbar Recycelbar, niedriger CO₂-Fußabdruck
Platzsparend Wandregal statt Gerät Mehr Arbeitsfläche in kleinen Küchen

Fallstudie: Speisekammer im Altbau, 1,4 m²

  • Aufbau: 3 Ebenen à 80 × 25 cm, 1 l Reservoir je Ebene
  • Klimadaten: Sommer 27–30 °C, 45–60 % rel. Feuchte
  • Ergebnisse:
    • Oberflächentemperatur Regal 3,5 K unter Raumluft im Mittel
    • Verdunstung 220 ml Tag, dadurch Brot nach 48 h noch elastische Krume
    • Tomatenfestigkeit nach 4 Tagen 18 % höher (Drucktest), Schimmelbefall bei Brot um 2 Tage verzögert

Designvarianten für Küche und Essbereich

  • Lamellen-Front aus Flachsfasern mit Magnetclips: Luftdurchsatz, weniger sichtbare Lagerware
  • Kräuterschiene mit kapillarer Tonrinne und Topfhaltern
  • Corner-Setup mit 45°-Regalen für kleine Küchen
  • Außenmodul für Nordbalkon: Regenschutzdach, Fliegengitter

DIY – Bauanleitung Schritt für Schritt

Materialliste für 2 Ebenen (je 80 × 25 cm)

  1. 2 × Terrakotta-Platte 12–16 mm, offenporig
  2. 2 × Kapillarvlies 80 × 8 cm, austauschbar
  3. 2 × Aluminium- oder Holzträgerprofil mit Schlitz für Vlies
  4. 2 × Wasserreservoir 1 l mit Tropfventil, lebensmittelecht
  5. Lehmmörtel 2 kg, Spachtel, Wasserwaage
  6. Schrauben, Dübel, Konsolen (mind. 30 kg Tragkraft je Konsole)
  7. Optional: PCM-Pads 24 °C, 200 g je Ebene; USB-Lüfter 80 mm 0,5 W

Werkzeit: ca. 90 min, Materialkosten: ~ 140–220 €.

Montage

  1. Wandfläche markieren, Dübel setzen, Konsolen exakt waagerecht montieren.
  2. Lehmmörtel dünnspachteln, Trägerprofil andrücken, 12 h trocknen lassen.
  3. Kapillarvlies in Schlitzkanal einlegen; Ende 2–3 cm überstehen lassen.
  4. Terrakotta-Platte auflegen, Vlies an der Unterseite anpressen.
  5. Reservoir füllen, Tropfventil auf 1–3 Tropfen min einstellen; erste Stunde überwachen.
  6. Optional Lüfter hinten am Luftkanal anclipsen; USB-Netzteil mit Zeitschaltfunktion.

Tipp: Anprobieren mit Küchenwaage: leere Platten wiegen, Tragfähigkeit prüfen.

Betrieb, Pflege, Hygiene

  • Wasser: alle 3–7 Tage nachfüllen, Reservoir wöchentlich ausspülen.
  • Vlies: je nach Nutzung alle 2–3 Monate wechseln, bei Kalkwasser öfter.
  • Oberfläche: mit weicher Bürste trocken reinigen; keine Seifenfilme, sie verstopfen Poren.
  • Geruch: neutral; bei Muff Geruchsquelle entnehmen und Regal 24 h trocknen lassen.

Pro / Contra kurzgefasst

Aspekt Pro Contra
Kühlwirkung 2–6 K lokal, sofort spürbar Bei sehr hoher Luftfeuchte < 30 % Wirkung
Wartung Einfach, wenige Teile Regelmäßiges Nachfüllen nötig
Hygiene Mineralisch, antistatisch Stauwasser vermeiden
Design Warm, handwerklich, individualisierbar Offene Lagerung erfordert Ordnung
Kosten Günstiger als Kühlmöbel Keine präzise Temperaturführung wie ein Kühlschrank

Standortwahl und Klimagrenzen

  • Ideal: schattige Wand fern von Herd und Backofen, leichte Querlüftung.
  • Sommer Boost: 0,5 W USB-Lüfter erhöht Luftwechsel, plus 1–2 K Wirkung.
  • Grenzen: Außenklima > 70 % rel. Feuchte oder Taupunkt nahe Raumtemperatur mindert Effizienz.

Smart-Home-Add-ons ohne Overkill

  • Feuchtesensor (Matter oder Zigbee) steuert Magnetventil am Reservoir.
  • Timer für Lüfter: 15 min pro Stunde in Hitzephasen.
  • App-Hinweise: Erinnerung an Vlieswechsel und Wasserhygiene.

Nachhaltigkeit & Kreislauf

  • Materialien: Lehm, Terrakotta, Holz; metallarme Bauweise.
  • Ende der Nutzungszeit: Keramik rezyklierbar, Vlies kompostierbar sofern naturfaserbasiert.
  • Vermeidung von Food Waste: bessere Lagerung spart Ressourcen und Geld.

Häufige Fehler – und wie man sie vermeidet

  1. Zu viel Wasser: Tropfen statt Fluss; Staunässe verschlechtert Oberflächenwirkung.
  2. Falscher Standort: direkte Sonne konterkariert Kühlung; lieber Nordwand.
  3. Reinigungsmittel: keine filmbildenden Reiniger, sie verstopfen Poren.

Kostenabschätzung

Posten Spanne Hinweis
Terrakotta-Platten 40–90 € je Ebene Handgefertigt teurer, optisch wertiger
Träger & Konsolen 25–50 € pro Ebene Korrosionsschutz beachten
Reservoir & Vlies 15–30 € Lebensmittelecht, austauschbar
Optional PCM & Lüfter 20–45 € Komfortsteigerung

Fazit: Leise Frischezone statt lauter Technik

Kapillaraktive Tonregale bringen bauphysikalische Intelligenz in die Küche: stromlose Mikrokühlung, bessere Feuchteführung und ein natürliches, warmes Materialgefühl. Wer Brotkruste knusprig halten, Kräuter länger frisch sehen und Gemüse aromastabil lagern will, erhält mit dem Tonregal 2.0 eine seltene, aber wirkungsvolle Lösung.

Jetzt umsetzen: Beginnen Sie mit einer 80 × 25 cm Ebene, testen Sie die Wasserjustage eine Woche lang und erweitern Sie bei Bedarf. Für kleine Küchen sind 2 Ebenen meist ausreichend, in Speisekammern 3–4 Ebenen.